Feldpraktika-Impressionen
Neue Wege des Ethnographischen Sammelns und Ausstellens
Nach einem Vorbereitungsseminar im Wintersemester 2022/23, findet im Sommersemester 2023 unter der Leitung von Sanda Üllen und Igor Eberhard und Teilnahme von 20 Studierenden das eigentliche Feldpraktikum statt, in dem es um die Konzeption, Planung und Umsetzung einer Ausstellung geht. Dabei sind die Studierenden von der Ideenfindung über die Finanzierung, Verfassen von Texten, Auswahl der auszustellenden Objekte, Gestaltung der Ausstellung bis zu deren Eröffnung und Langzeitarchivierung der Ergebnisse voll involviert.
Die Studierenden entscheiden sich die Ausstellung unter dem Titel "Lost in Gender" zu kuratieren. Die Präsentation von Sammlungsobjekten des anthropologischen Instituts sowie von aktuellen Fotografien und Alltagsobjekten dient der kritischen Auseinandersetzung mit der Geschlechterbinarität. Thematisiert werden das kolonialistische Überstülpen von Zweigeschlechtlichkeit auf außereuropäische Kulturen sowie aktuelle queerer Realitäten.
Im Sommersemester 2023 beginnt das Brainstorming für die Ausstellung.
Welche Objekte in der Ausstellung zu sehen sein werden, muss sorgfältig überlegt werden.
In den Sommermonaten wird die Ausstellung dann aufgebaut.
Die Ausstellungsbesucher:in erhält Einblicke in einen von Außerirdischen verfassten Expeditionsbericht, der die Lücken, die koloniale Forschungsreisen und gesellschaftliche Normierungen hinterlassen haben, anfängt zu füllen...
... Statt zu Verallgemeinern, lassen sich die Entdecker:innen von der anfänglichen Konfrontation mit einer strikten Unterscheidung in zwei getrennte Geschlechter nicht irritieren, sondern beginnen eine akribische Arbeit, die in der Entdeckung der größeren Vielfalt an Geschlechtermodellen unter den Erdbewohnern mündet.
Am 15.09.2023 wird die Ausstellung feierlich eröffnet.
Auf die Eröffnungsrede folgt eine Podiumsdiskussion über die aktuelle Situation und Lebensrealität queerer Personen.
In den folgenden Wochen bieten die Studierenden regelmäßige Führungen durch die Ausstellung an.
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Naturwahrnehmung um den Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel
In zwei Aufenthalten Ende März und Anfang Juni 2023 verbringen fünf MA-Studierende mit den LV-Leiter*innen Franz Graf und Gertraud Seiser drei Wochen um und im Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel.
Während des ersten Aufenthalts standen das Kennenlernen der Region, ihrer Institutionen und intensive Gespräche mit Expert*innen im Vordergrund. Zwischen den Feldaufenthalten entwickeln die Studierenden kooperativ, aber voneinander unabhängig Kleinprojekte, in deren Zentrum die Wahrnehmung von Natur durch verschiedene Akteur*innengruppen steht. Dazu wurden im zweiten Feldaufenthalt die empirischen Erhebungen durchgeführt.
Feldaufenthalt 1: 26.03.-02.04.2023 Feldaufenthalt 2: 29.05.-12.06.2023
Tirza Stock, Magdalena Langheiter, Vadym Yeremiichuk, Gertraud Seiser, Marica Zvonarits und Nikola Blagojevic am Steg der Biologischen Station Illmitz nach einer Führung durch die Biologische Station (durch Gilbert Hafner) und einem Gespräch über mögliche Folgekooperationen mit Thomas Zechmeister.
© Franz Graf
Die Region Seewinkel kann nicht verstanden werden, ohne das Schilfrohr bzw. den Schilfgürtel in die Forschung miteinzubeziehen. Schilfrohr bildet ausgeprägte Monokulturen, die jedoch in ihrem Alter und Struktur vielfältig sind. Schilf hat viele Erscheinungsformen, was dazu führt, dass Menschen mit Schilfbeständen unterschiedlich umgehen.
Magdalena Langheiter hat sich im Zuge des zweiten Feldaufenhalts mit der heterogenen Wahrnehmung von Schilf durch verschiedene Akteur*innengruppen im Seewinkel auseinandergesetzt. Dabei wurde nicht nur die Perspektive des Nationalparks Neusiedler See, sondern auch die der Feuerwehr Illmitz und die zweier Schilfschneider miteinbezogen.
© Magdalena Langheiter
Im Zuge der Forschung wurde deutlich, dass Schilf nicht immer gleich aussieht und sich auch sein Nutzen verändert. Das Bild zeigt grünes und frisches Jungschilf. Nach einem Jahr Wachstum wird es dann einjähriges Schilf genannt. Dieses kann in einzelnen Gebieten rund um den Neusiedlersee von Schilfschneidern im Winter geerntet und im nächsten Schritt weiterverarbeitet werden.
© Magdalena Langheiter
Dieses Bild hingegen zeigt das sogenannte Knickschilf. Wird Schilf älter, dann verändert sich seine Farbe und seine Struktur. Schilf wird bräunlich und knickt um. Bei Knickschilf handelt es sich um einen wichtigen Lebensraum, der von vielen Vogelarten rund um den Neusiedlersee genutzt wird. Knicken die Schilfhalme zu sehr ineinander entstehen dichte Schilfmatten und es bildet sich das sogenannte Bruchschilf. Problematisch bei diesem Altschilfbestand ist, dass einerseits Jungschilf durch die dichten Schilfmatten nicht mehr hindurchwachsen kann und andererseits keine Vögel dort brüten. Erst durch das genaue Hinschauen wird wahrnehmbar, dass Schilf nicht gleich Schilf ist.
© Magdalena Langheiter
Ende März stehen wir (im Bildvordergrund Nikola Blagojevic und Franz Graf) im Schneesturm an der Brücke von Andau. Dieser nun offene Grenzübergang wurde nach 1956 zum Symbol für die Flucht aus autoritären Regimen und verweist auf den Seewinkel als einen Hotspot für Flucht und Migration.
Die Erkundungen, Eindrücke und Gespräche mit Expert*innen während des ersten Feldaufenthalts regten die Studierenden zu ihren individuellen Projekten an.
© Gertraud Seiser
Nicht nur als Urlaubs- und Erholungsregion ist das Burgenland innerhalb von Österreich bekannt. Mediale Aufmerksamkeit haben auch immer wieder dramatische Fluchtereignisse erregt. Als Grenzregion Richtung Osten hat der Seewinkel hierbei eine besondere Position inne. Tirza Stock interessiert sich im Rahmen des Feldpraktikums für die Perspektiven von Geflüchteten, die ihren Lebensmittelpunkt um den Neusiedlersee herum haben. Wie sehen ihre Alltagsrealitäten aus? Wie erfahren sie in ihrer Umgebung die Natur? Welche Relevanz hat diese in ihrem Leben? In den Interviews mit Geflüchteten zum Thema Natur sind neben der persönlichen Migrationsgeschichte
auch Vorstellungen von Heimat, Familie und Religion zum Vorschein gekommen.
© Vadym Yeremiichuk
Das ist ein Acker – genauer gesagt ist es ein Saatgutmaisacker -, welcher im Seewinkel bewässert wird. Der Seewinkel hat in den letzten Jahren neue Grundwassertiefpunkte erreicht. Gründe dafür sind zum einem der Klimawandel mit den immer länger werdenden Trockenperioden und zum anderen anthropogene Eingriffe in den Wasserhaushalt des „Feuchtgebietes“. Mittels zahlreicher Entwässerungs- und Bewässerungssysteme wird Grundwasser in der Region entnommen, was inzwischen nicht nur lokal hinterfragt wird. Dabei ist der Diskurs um die Infrastruktur Wasser emotional geladen. Marica Zvonarits beschäftigt sich mit zwei Betrieben in Illmitz, die ihre Kulturen bewässern. Sie interessiert sich dabei dafür, wie diese Landwirt*innen in dieser wasserknappen Region Wasser und den Umgang damit wahrnehmen.
© Marica Zvonarits
Während des Feldpraktikums im Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel untersuchte Vadym Yeremiichuk die komplexen Zusammenhänge zwischen Tourismus, Nachhaltigkeit und der lokalen Naturwahrnehmung. Durch Interviews mit wichtigen Stakeholdern, u.a. Tourismusmanagern, dem Bürgermeister von Illmitz und der Bürgermeisterin von Podersdorf sowie einem Vertreter des Nationalparks, versuchte er, ein Verständnis für die Aushandlungsprozesse zwischen touristischen Ansprüchen und den politisch-ökologischen Bedingungen des Umweltschutzes zu entwickeln. Seine Recherche ergab, dass es viele Herausforderungen gibt, von der Vereinbarkeit unterschiedlicher Perspektiven bis hin zur Umsetzung nachhaltiger Praktiken. Diese können nur im Kontext einer Sehnsucht nach einer tiefen Verbundenheit mit der Heimat und der Hoffnung auf eine harmonische Zukunft verstanden werden. Darüber hinaus beleuchtet seine Arbeit nicht nur die komplexen Dynamiken rund um den Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel, sondern verdeutlicht auch das Potenzial eines anthropologischen Zugangs bei der Erforschung der Nuancen von Mensch-Umwelt-Beziehungen.
Die Fotos (© Vadym Yeremiichuk) zeigen wichtige touristische Punkte: 1 - Strandbad in Illmitz, 2 - Strandbad in Podersdorf am See, 3 - Der Leuchtturm von Podersdorf, 4 - Weiße Esel in Sandeck - Neudegg bei Illmitz, 5 und 6 - Aussichtsturm am Rande der Graurinderkoppel im Seevorgelände.
Während eines Feldpraktikums spielen gemeinsame Mahlzeiten eine besondere Rolle. Studierende und Lehrende sitzen am Tisch zusammen, teilen ihre Gedanken, Erfahrungen und Ideen und erweitern ihr Verständnis durch den Dialog. Eine grundlegende Dynamik anthropologischer Praxis.
© Franz Graf
In his digital ethnography project, Nikola Blagojevic explores the narratives and stories of Burgenland Bunch members regarding their connection to the nature and environment of Burgenland. The Burgenland Bunch is a history and genealogy group focused on developing genealogical data concerning Burgenland emigrants and assisting individuals of Burgenland descent in tracing their ancestral heritage. Notably, a significant number of Burgenland Bunch members are descendants of Burgenland emigrants who settled in the United States, and they maintain a link to the region’s environment through stories passed down by their ancestors and personal experiences.
© Nikola Blagojevic
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The Field School in Indonesia started with a visit to the Anthropology Department at Gadjah Mada University in Yogyakarta because students from both universities will collaborate in their research. Each group of students will be based with one local NGO and focus on one particular topic that ranges from gender-based violence to the environmental issues, from eco-tourism to traditional and contemporary arts and crafts.
© Gabriele Weichart
Sophia Sternath has started working with Eco Enzyme which is an Indonesian NGO that, among other places, operates in Kulon Progo in the Special Region of Yogyakarta. The aim is to use fermentation processes to produce cleaning products, medical products and personal hygiene products from organic waste, but also fertilizers and agents for air and water purification. Apart from that, a lot of emphasis is also placed on education by offering local children the opportunity to use the library on Sundays to read or to take part in workshops.
© Sophia Sternath
Trying to do fieldwork without prior team meetings is like trying to cook gourmet Nasi Goreng without a recipe - you might end up with a hot mess instead of hot data! ARuPA (Alliance of Volunteers to Save Nature) is an Indonesian NGO engaged in the preservation of natural resources and the environment. It was formed in 1998 in Yogyakarta by several students and young alumni of the Faculty of Forestry, Gajah Mada University. Their work is based on the vision of an economically-socially-politically empowered civil society: to realize fair, sustainable, democratic and sustainable management of natural resources and the environment; towards the achievement of community welfare. The mission is to empower forest communities by creating a sustainable system for community-based forest resource management, achieved by conducting studies, strengthening local institutions, and providing community assistance. Kajetan Moro will be working with ARuPA over the next few weeks.
© Kajetan Moro
Rifka Annisa is an organisation that is fighting against gender-based violence. They host women‘s shelters in Yogyakarta, educate communities around sexual harassment and domestic violence, council survivors and advocate for gender equity in Indonesia. They also have a social media channel that you should check out where they inform around gender issues, women’s rights and violence. Anna Lena has started her research with this organisation.
© Anna Lena Seidel
This is Bettie Kirsch with a traditional Javanese rice husker called "lesung", used throughout Java by Indonesian rice farmers. Today it serves as a bench in JAVLEC's office.
JAVLEC is a non-profit organization that promotes forest conservation and social forestry and is active in many parts of Indonesia. Their goal is to support civil society organizations (CSOs) to improve natural resource management in local communities.
One of these projects is in Kalibiru, a small forest village in the Special Region of Yogyakarta that has reclaimed its exploited forest. It is now a protected area. To create new jobs outside the timber business, the community began building a well-known ecotourism sight in the forest. Although local tourism was affected by the pandemic, Kalibiru is now striving to regain its former popularity.
© Bettie Kirsch
In Indonesia, waste management is a pressing issue, with challenges such as inadequate infrastructure, limited recycling practices, and the improper disposal of waste. This leads to environmental pollution, health risks, and the depletion of valuable resources. During my fieldwork, I learned firsthand how Monumen Antroposen is demanding a transformative shift from society. The project engaged with the local community, and it became evident that the monument serves as a catalyst for change. It challenges the prevailing attitudes towards waste management and calls for a collective transformation in how we perceive and handle waste. Monumen Antroposen draws attention. We need to think about waste as not only a problem of nature as a physical entity but also about the social environment of certain neighborhoods, Therefore. Monumen Antropsen adopts a collaborative approach on sustainable practices, and contributes to the creation of a more environmentally conscious society.
© Aysel Aycan Aktaş
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Wasserwelten Philippinen - Österreich
Im Jänner 2023 verbringen 6 MA-Studierende unter der Leitung von Bernhard Hadolt ein knappes Monat auf den Philippinen. Dabei liegt der Forschungsfokus auf sozialen Phänomenen, Praktiken und Bedeutungen von Trink- und Brauchwasser, wie sie sich auf den Philippinen und Österreich aus komparatistischer Perspektive manifestieren.
Lea Nobel gibt Einblick in ihr individuelles Forschungsprojekt.
Feldaufenthalt: 03.-31.01.2023
A photo of rainy Manila. The overall theme of the seminar was "Anthropology of Water": As it was very rainy during our stay, we found a lot of water – and rain is one of the most precious kinds of water of all. Each of us worked on an individual research project, applying anthropological research methods in practice. Interestingly, through our individual research, we all found a project connected to the many distinctions in water: drinking water, sea water, well water, or dirt water.
© Lea Nobel
Part of our group was doing research on Apo Island: Since there is electricity only between 6PM and 10PM it was the perfect place to study handwashing, as a washing machine does not make sense under these circumstances. Here we are standing close to a well, which is central to the village. It was an interesting place to start the research on the island, as a lot of locals got their water supplies from it or washed pieces of clothing close to the well.
© Lea Nobel
My personal research project was connected to the role of handwashing the laundry – here I am doing my own laundry. The practice of washing is very important in the Philippines. Hand washing is generally widespread, especially in private households (i.e. not necessarily in laundromats, where washing machines are used due to the heavy workload).
© Lea Nobel
One of the main findings was that hand washing is generally considered cleaner than the washing machine. Often the higher cleanliness was explained by the fact that hand washing means that specific dirty spots are washed, while the washing machine only "turns in circles". Here, one of my informants prepares the various ‘basins’ needed for the washing process later.
© Lea Nobel
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