Laufende Forschungsprojekte & Betreute Dissertationen


Caring through Electricity

Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit der Rolle von Zugang zu elektrischer Energie für die Konstitution (und Transformation) politischer Subjektivitäten und sozialer Organisation. Das Nachzeichnen sozialer Beziehungen rund um Zugang zu Infrastruktur offenbart Aushandlungen darüber, wer Ressourcen bereitstellt, wer sie nutzen kann und aus welchen Gründen. Die in der Produktion, Verteilung und Nutzung grundlegender Versorgung beteiligten Akteure sind zwangsläufig in einem Wechselspiel aus Vorstellungen von Zugehörigkeit, Ausschluss und Verantwortung eingebunden. Während Elektrizität weltweit die Grundlage für mehr und mehr Aktivitäten bildet, untersuche ich, wie die Bereitstellung von Infrastruktur als Sorgepraktik (care) soziale Organisation und Subjektivitäten prägen. Diese Sorgepraktiken werden besonders dort sichtbar und beobachtbar, wo es eine Pluralität von Anbietern infrastruktureller Versorgung gibt, wie ich im Zuge meiner ethnographischen Forschung in Nordpakistan herausarbeite.

Projektbeginn: Oktober 2021
Finanziert von: Universität Wien
Projekt von: Quirin Rieder
Betreut von: Tatjana Thelen


Care in the Prison: Images and Practices of Care in the Juvenile Prison in Accra (Ghana)

Weberianische Ideale der Neutralität und Loyalität von BeamtInnen sind weltweit verbreitete Bilder, die häufig die Grundlage für einen Mangeldiskurs des öffentlichen Dienstes im globalen Süden bilden. Darstellungen aus einer Mangelperspektive konzentrieren sich häufig auf die sogenannten "informellen" Seiten von Organisationen und darauf, wie die tatsächlichen Praktiken von BeamtInnen von den gesetzlichen Normen abweichen. Mein Doktoratsprojekt zielt darauf ab, die Produktion des Selbstverständnisses staatlicher AkteurInnen zu beleuchten sowie die Beziehung die staatliche AkteurInnen zum Staat während der Ausbildung entwickeln. Während in den Sozialwissenschaften viel Arbeit am Staatsbewusstsein der BeamtInnen geleistet wurde, wurde der Prozess, ein/e staatliche/r AkteurIn zu werden, kaum angesprochen. Bei der Betrachtung der Frage, wie ein einheitliches Ethos hergestellt wird, ist Ghana ein interessanter Fall, der untersucht werden muss, da bestehende Untersuchungen mit BeamtInnen (einschließlich meiner eigenen) gezeigt haben, dass ghanaische BeamtInnen trotz unterschiedlicher Zugehörigkeiten (ethnisch, religiös, sprachlich) ein starkes Engagement für das "Wohl der Nation" zeigen. Da das Gefängnis ein wichtiger Teil des Staates ist, betrachte ich die Entwicklung von Normen und Werten bei der Ausbildung des ghanaischen Gefängnispersonals. Mein Projekt kombiniert anthropologische Ansätze zum Staat, damit verbundene Debatten zur Bürokratie und dem öffentlichen Dienst sowie Gefängnisethnographien.

Projektbeginn: 2020
Finanziert durch: sowi:docs (Universität Wien)
Projekt von: Marlene Persch
Betreut von: Tatjana Thelen


Unproblematic belonging? Practices of community and constructions of difference in institutional day-care in Vienna.

Während Kinderbetreuung in Österreich historisch primär als ‚private’ Angelegenheit von Müttern galt, wird sie heute zögerlich, aber zunehmend als gemeinsame Aufgabe von Institutionen und Familien definiert. Vor allem seit der Einführung des verpflichtenden Kindergartenjahres 2010 wird der Kindergarten in der Öffentlichkeit verstärkt als Garant für Chancengleichheit und als wirksames Mittel zur ‚Integration’ von Kindern von MigrantInnen konstruiert. In Kontrast zu dieser normativen Konzeptualisierung der öffentlichen Kinderbetreuung werden in meinem Dissertationsprojekt subtile, aber wirkmächtige Prozesse der Inklusion und Exklusion in alltäglichen Interaktionen zwischen PädagogInnen, Eltern und Kindern untersucht. Inspiriert ist dieses Vorhaben von aktuellen Beiträgen in der Anthropologie, die vorschlagen die komplexen Verstrickungen zwischen scheinbar ‚privaten’ verwandtschaftlichen Beziehungen und dem Staat in den Fokus zu nehmen. Auf Basis umfassender ethnographischer Feldforschungen werden Kindergärten als Institutionen erforscht, die in die Verdichtung oder auch Schwächung von Zugehörigkeit wie auch die Konstruktion von Differenz involviert sind.

Projektdauer: Oktober 2015 - Oktober 2018
Finanziert von: uni:docs (Universität Wien)
Projekt von: Anna Ellmer
Betreut von: Tatjana Thelen


Auflösungsprozesse von Verwandtschaftsbeziehungen im nördlichen Tansania

Trennung, Ausgrenzung oder gar die Auflösung von Verwandtschaftsbeziehungen passen nicht in allgemeine Vorstellungen afrikanischer Verwandtschaftsverhältnisse. Diese werden häufig in Form von generationenübergreifender Reziprozität auf der einen oder sogenannter „Vetternwirtschaft” auf der anderen Seite dargestellt. Beiden Bildern wohnt die Vorstellung einer Omnipräsenz von Verwandtschaft in Afrika inne. Da Verwandtschaft aber auch im afrikanischen Kontext gleichermaßen von Inklusion und Solidarität wie von Ausgrenzung, Diskriminierung und Konkurrenz geprägt ist, widmet sich das Dissertationsprojekt Auflösungsprozessen von Verwandtschaftsbeziehungen im ländlichen Tansania. Denn obwohl in den letzten Jahren mehrfach auf die Notwendigkeit verwiesen wurde, Verwandtschaftsauflösungen ebenfalls in den Blick zu nehmen und über Prozesse des undoing kinship nachzudenken, ist dies noch nicht systematisch angewendet worden. Der zentrale Fokus des Forschungsprojektes richtet sich auf Prozesse von Verwandtschaftsauflösungen, die sich auf einer alltagspraktischen Ebene vollziehen, und fragt, wie diese Prozesse mit anderen gesellschaftlichen Entwicklungen verbunden sind. Der Blick auf die entgegengesetzten Prozesse des Verwandtmachens kann so nicht nur neue Erkenntnisse über die zugrundeliegenden Prozesse von Verwandtschaft und den Einfluss von politischen und ökonomischen Prozessen auf diese bringen, sondern auch die Rückwirkungen verwandtschaftsauflösender Prozesse auf gesellschaftlichen Wandel aufzeigen.

Projektdauer: März 2017 – Februar 2021
Finanziert von: Universität Wien
Projekt von: Nina Haberland
Betreut von (Erstbetreuerin): Tatjana Thelen


Translating difference as culture? Care for elderly Turkish migrants in Vienna and Amsterdam

Immigrants are expected to compose an increasingly large part of the ageing population in Europe. Calls from different points in society are made about creating a higher awareness and sensitivity related to cultural differences among those who need care. Accommodating ‘difference’, such as shared culture of groups, within frameworks of universal legal, political and social rights are a complex matter, which needs a mindful consideration. Nevertheless, ideas about health, illness and appropriate care are clearly differently constructed by different social actors, and therefore the services sector is confronted with an increasing variety of illness interpretations and challenged in its capacity to cope with the diversity of the population. This research project aims to explore the ways in which difference is translated as culture by investigating the interactions between first-generation Turkish migrants and the caregivers they meet when the need for care arises. The location for the research will be in two European contexts: Vienna and Amsterdam. Both cities have a large population of Turkish migrants who first came to the countries as guest workers and are now reaching the ‘old age’. Through ethnographic research in health care settings where encounters between elderly migrants and care providers commence, this project tries to unravel the subtle, complex processes of translation in care.

Projektbeginn: Oktober 2017
Finanziert von: uni:docs (Universität Wien)
Projekt von: Brigitte Möller
Betreut von: Tatjana Thelen