Workshop: Handle with CARE?

25.06.2024

Möglichkeiten und Herausforderungen für ethischen und sensiblen Umgang mit Forschungsdaten

03.07.2024, 14:00 Uhr

HS-A, IKSA

Anmeldung bis: 25.06.2024

Workshop des Ethnographischen Datenarchivs (eda) gemeinsam mit der Ethnographischen Sammlung des Instituts (ESKSA)

Die Ansprüche an Forschungen und an Forschungsdaten werden immer größer. Der Aufwand auch. Gerade in der Kultur- und Sozialanthropologie, bei der nicht nur bei, sondern auch gemeinsam mit beforschten Menschen Daten entstehen. Das bringt große Verantwortung mit sich. Besonders beim Umgang mit sensiblen Daten, Daten aus Gewalt-, Kolonial-, rassistischen Kontexten. Die CARE-Prinzipien (Collective Benefit, Authority to Control, Responsibility, Ethics) für indigene Daten werden immer öfter als Lösungsansatz für alle diese ethischen Fragen herangezogen. Sie sind von indigenen Aktivist*innen nur für indigene Daten gedacht und entwickelt worden. Können diese Prinzipien auf andere, nicht-indigene Daten angewendet werden? Wenn ja, wie? Wie können wir in unserem Fach ethisch, respektvoll, möglichst kollaborativ und gemeinwohl orientiert forschen und Daten sammeln und archivieren? Gibt es andere Ansätze? Und wie umgehen mit unseren vorhandenen Daten? Ob und wie können diese Daten dekolonialisiert und weitergenutzt werden? Wem gehören die Daten?

In Vorträgen von Christian Huber und Ingolf Ortner zum Thema „Beware! Take CARE! Überlegungen zum praktischen Umgang mit sensiblen Daten im Forschungsdatenmanagement“ und von Veronika Kocher über „IMAGE+ und die Frage der praktischen Anwendung von CARE Principles im Umgang mit Bildmaterial in Repositorien“ werden diese Fragen beleuchtet und danach diskutiert.

Im Anschluss soll mit praktischen Beispielen aus dem ethnographischen Datenarchiv, der Ethnographischen Sammlung des Instituts für KSA oder auch von Teilnehmenden diskutiert werden, welche Möglichkeiten es gibt, gut und ethisch vertretbar mit Forschungsdaten umzugehen.

  • Vortrag
    Christian Huber und Ingolf Ortner
    Beware! Take CARE! Überlegungen zum praktischen Umgang mit sensiblen Daten im Forschungsdatenmanagement

  • Vortrag
    Veronika Kocher
    IMAGE+ und die Frage der praktischen Anwendung von CARE Principles im Umgang mit Bildmaterial in Repositorien

Anmeldung: bis 25.06.2024 unter eda.ksa@univie.ac.at

Datum: 03.07.2024, 14–18
Ort: HS A, Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, NIG, 4. Stock, Universitätsstraße 7, 1010 Wien

Workshop-Poster

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Abstracts

Christian Huber und Ingolf Ortner
Beware, take CARE! Überlegungen zum Umgang mit sensiblen Daten im Forschungsdatenmanagement

Die CARE-Prinzipien werfen in ihrer praktischen Anwendung mitunter mehr Fragen auf, als diese beantworten können. Forschungsdaten, gerade solche die ethische Fragestellungen implizieren, können auf allen Ebenen, bis hin zu den Metadaten, in ihrem gesamten Datenzyklus hochsensibel sein. Deshalb wurden 2019 die CARE-Prinzipien (Collective Benefit, Authority to Control, Responsibility, Ethics) als ein Komplementär zu den 2016 postulierten FAIR-Prinzipien (Findable, Accessible, Interoperable, Re-usable) formuliert. Die FAIR-Prinzipien erkennen im Gegensatz zum reinen Open Data Konzept auch Restriktionen des Datenzuganges an, fokussieren aber auf Merkmale, die den Datenaustausch erleichtern und sind eher als Grundsätze eines guten Forschungsdatenmanagements zu sehen, welche aber ethische Aspekte und historische Kontexte in der Datenproduktion und in der Nachnutzung von Daten weitestgehend unberücksichtigt lassen. Gerade aber in der ethnographischen Forschung müssen die Beforschten, die Forschenden und die aus dem Forschungsprozess hervorgebrachten Daten bzw. Metadaten, von der Entstehung bis zur Nachnutzung, als sich gegenseitig bedingende äquivalente Aktanten angesehen werden. Was bedeutet dies nun für den praktischen Umgang mit sensiblen Forschungsdaten? Im Vortrag werden unter anderem 10 Punkte präsentiert, welche aus qualitativen Interviews mit Expert:innen erhoben wurden, die ein Desiderat darstellen und zu einer weiteren Beschäftigung bzw. zur praktischen Umsetzung der CARE-Prinzipien im Umgang mit qualitativen sensiblen Forschungsdaten führen sollen. Die 10 Punkte, die zum weiteren Diskurs anregen sollen, umreisen Themenfelder wie sensible Forschungsdaten vs. Open Data, aktuell gehaltene Metadaten als Schlüsselelement, das Spannungsfeld Beforschte - Forschende (Datenschutz als Hürde, Wer spricht?, Macht und Teilhabe u.v.m.), institutionelle Langzeitarchivierung, der Faktor Zeit und seine Risiken, finanzielle Ressourcen (prekäre Forschungs- und Arbeitsbedingungen), die Schwierigkeiten einer praxisnahen Umsetzung der CARE-Prinzipien sowie eine frühzeitige Sensibilisierung durch Schulungen und Einbettung in die universitäre Lehre.

Veronika Kocher
IMAGE+ und die Frage der praktischen Anwendung von CARE Principles im Umgang mit Bildmaterial in Repositorien

In den letzten Jahren ist eine Debatte immer stärker in der Öffentlichkeit ausgetragen worden: Wie mit rassistischen oder diskriminierenden Inhalten verantwortlich umgehen? Sei es der Sturz öffentlicher Statuen von Menschenhändlern, der Umgang mit bekannten Kinderbüchern, die neu aufgelegt werden und eine Revision erfahren oder Kunstwerke, deren rassistische Titel in digitalen Datenbanken überarbeitet werden und mithilfe einer Sternchen-Barriere gekennzeichnet sind – ein Wandel im Umgang mit diesen Inhalten ist festzustellen. Das Sammeln, Bewahren und Erforschen von Ressourcen ist darauf ausgelegt, diese zu erhalten und entsprechend der Textautonomie so abzubilden, wie sie sich präsentieren – als Abbild einer Gesellschaft. Oftmals finden auf diesem Weg aber gerade die exklusiven und diskriminierenden Seiten einer Gesellschaft Eingang in die historisch gewachsene Welt von Bibliotheken, Archiven, Sammlungen und Datenbanken und können hier ohne weiteren Kommentar verwendet werden.

Auch in Bibliotheken, Archiven und Museen muss daher die Frage gestellt werden, welche Methoden Anwendung finden sollen, sodass rassistische und diskriminierende Inhalte nicht weiter reproduziert werden. Inwieweit und in welcher Form können archivarische Strukturen diverser und aktueller gestaltet, und wie auch andere gesellschaftliche Perspektiven abgebildet werden? Gleichzeitig scheint damit aber ein Konflikt mit dem bewährten Selbstverständnis dieser Einrichtungen unausweichlich.

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