Ausstellung „Leichen im Keller. Menschliche Überreste zwischen Rückgabe und Verbleib“

01.06.2021

ein Bericht von Igor Eberhard

Wenn der österreichische Museumsbund eine Ausstellung als besonderen Tipp listet, hat man etwas richtig gemacht. So geschehen bei der Studierenden-Ausstellung „Leichen im Keller. Menschliche Überreste zwischen Rückgabe und Verbleib“.

Das ist eine umso erfreulichere Nachricht, da die Studierenden unter Corona-Bedingungen und mit Social Distancing diese Ausstellung auf die Beine gestellt haben.Die Ausstellung ist aus der Lehrveranstaltung „Ethnographisches Sammeln und Ausstellen am Beispiel menschlicher Körper“ in enger Zusammenarbeit mit der institutseigenen Ethnographischen Sammlung hervorgegangen.

Wie viele andere ethnographische Sammlungen ist die Geschichte der Sammlung eng mit der Entwicklung des Faches verknüpft. Sie ist zu einem größeren Teil im kolonialen oder asymmetrischen Kontexten entstanden. Wie tief die Verstrickung der Sammlung reicht, muss noch weiter erforscht werden.

Besonders schwierig ist dies, wenn es direkt um Menschen geht. Auch bei uns gibt es sogenannte „Menschliche Überreste“. Das sind etwa Knochen, Haare etc. die aus den unterschiedlichsten Gründen gesammelt wurden. Da dies sehr sensible Objekte sind und nicht immer eindeutig ist, wie und warum sie bei uns gesammelt und ausgestellt wurden, ist es besonders schwierig eine angemessene Art zu finden, mit ihnen umzugehen. Für viele beforschten Gruppen sind die Überreste ihrer Vorfahren sehr wichtig. Teils, weil sie im Zug von kolonialer Ausbeutung weggeschafft oder geraubt wurden, teils auch weil ihre Vorfahren weiterhin Bestandteil ihrer Familien oder Gesellschaften bleiben.

Mir als Sammlungsleiter ist es dabei wichtig, dass aus diesen problematischen Objekten wieder Menschen mit Geschichte(n) werden können. Das sind keine Objekte, sondern bleiben Subjekte. Selbst wenn dies für längere Zeit vergessen wurde.

Dementsprechend muss man mit diesen Menschlichen Überresten umgehen: Wissen sammeln, herausfinden, woher sie stammen und warum sie bei uns sind; sie erhalten, damit sie nicht zerstört werden; falls möglich Kontakt mit den Nachfahren aufnehmen und dann tun, was im gegenseitigen Einvernehmen als das Richtige angesehen wird: bestatten, zurückgeben oder auch (erst einmal) gar nichts. Je nach dem, was ethisch sinnvoll ist und was verlangt wird.

Ein Teil dieser ersten Auseinandersetzung waren verschiedene Projekte zu diesem Themenbereich (siehe unten).

Die virtuelle Ausstellung „Leichen im Keller. Menschliche Überreste zwischen Rückgabe und Verbleib“ geht genau diesem Thema nach: Warum wurden solche Objekte gesammelt? Und warum wurden Menschen zum Objekt degradiert? Was sagt das über uns aus? Und wie kann man dem gegensteuern? Wie geht man mit so sensiblen Objekten, wie menschlichen Überresten heute um? Was ist das jeweils „Richtige“? Wie kann man einiges besser machen? Kann man weiteres Unrecht verhindern oder wieder gutmachen?

Die Ausstellung behandelt all diese Themen und versucht, Antworten für unterschiedliche Kontexte zu geben. Sie ist in enger Kooperation mit dem Weltmuseum Wien, dem KHM Wien, dem NHM Wien, der südafrikanischen Botschaft, dem Te Papa Tongarewa Museum in Neuseeland, vielen Forschenden, Sammlungsmitarbeiter:innen, Interessierten und auch Nachkommen entstanden.

Gerade die Corona-Bedingungen haben es nicht einfach gemacht, eine Ausstellung auf die Beine zu stellen. Sie haben den Studierenden sehr viel abverlangt – weitaus mehr als durch eine Note oder ECTS-Punkte abdeckbar. Auch das Thema lässt niemanden kalt. Ohne Herzblut kann nichts Gutes entstehen.

Der Museumsbund irrt sich nicht. Die Ausstellung ist ein besonderer Tipp.

Ein ganz subjektives Geständnis: Ich freue mich sehr über die Ausstellung.
Mit ihr ist ein neuer Blick auf die Menschlichen Überreste in unserer eigenen Sammlung gelungen. Es ist ein Schritt von „Objekten“ zu Subjekten und zu mehr Menschlichkeit.
Es ist auch eine Gelegenheit unsere eigene Sammlung weiter kritisch zu hinterfragen, neu zu denken und auf zu machen (dazu in den nächsten Newslettern mehr). Im besten Fall werden so „Objekte“ zu dem, was sie eigentlich sein sollten: Gesprächsangebote. Auf Augenhöhe.

Ausstellung
https://leichenimkeller.at/leichen-im-keller

Igor Eberhard

 

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